Halbzeitbilanz: Aufarbeitung – Schwertun mit der Erinnerung

Bei Roland Herrmann begann es mit der  geliebten Levi’s®-Jeans, wegen der er aus  dem Russisch-Unterricht flog, bevor er zum  schwarzen Schaf der Klasse und dann zum  Karrierehindernis für den staatsnahen Stiefvater  wurde. Norda Krauel bekam wegen  ihrer nicht DDR-linientreuen Mutter erst  keine Berufsausbildung und dann Ärger mit  den DDR-Behörden. Beide Teenager landeten  in den 1980er Jahren im „Durchgangsheim“  Bad Freienwalde. Hier wurden zwischen  1968 und 1987 Kinder und Jugendliche  weggesperrt, drangsaliert und gebrochen.  Um den Blick auf ihre Schicksale zu lenken,  veranstaltete unsere Fraktion Anfang 2016  einen Gesprächsabend mit einem Wissenschaftler  und ehemaligen InsassInnen des  „Kindergefängnisses“ in Bad Freienwalde.  „Neben der Rehabilitierung ist es wichtig,  auf das Leid und die Stigmatisierung der  Betroffenen aufmerksam zu machen“,  sagt Heide Schinowsky, die sich mit der  Aufarbeitung von DDR-Unrecht beschäftigt.

Inzwischen unterstützen Landtagsabgeordnete  mehrerer Fraktionen und der Landrat  von Märkisch-Oderland den von früheren  InsassInnen gegründeten Verein „Kindergefängnis  Bad Freienwalde“ bei der  Errichtung eines Mahnmals vor Ort.  Nachdem Norda Krauel an Brandenburger  Gerichten mit ihrer Klage auf Rehabilitierung  gescheitert war, zog sie vor das  Bundesverfassungsgericht. Verbunden  mit scharfer Kritik an den vorausgegangenen  Verfahren verwiesen die Karlsruher  RichterInnen die Sache zurück an das  Brandenburger Oberlandesgericht. Dieses  verkündete nun vor kurzem die Rehabilitierung  Krauels. „Jetzt gilt es zu prüfen, ob bzw.  inwiefern das Urteil zu Norda Krauel  Konsequenzen für die Verfahren anderer  Betroffener bedeuten könnte“, so Heide  Schinowsky. Die von unserer Fraktion in der letzten  Wahlperiode angestoßene Enquêtekommission  zur DDR-Aufarbeitung hatte sich in  großem Einvernehmen auf 80 Handlungsempfehlungen  verständigt. Es sollten u. a.  Rehabilitierungsverfahren verbessert, demokratische  Bildung an Schulen verstärkt und  sich mehr um Erinnerungsorte gekümmert  werden. Die neue rot-rote Landesregierung  hatte 2014 die Umsetzung der Empfehlungen  jedoch nur sehr halbherzig in ihrem  Koalitionsvertrag verankert. „Wir haben  deshalb auf einen Landtagsbeschluss  gedrängt, in dem sich alle Fraktionen zur  weiteren DDR-Aufarbeitung und zur Umsetzung  der Enquête-Empfehlungen bekennen  – mit Erfolg!“, sagt Heide Schinowsky. Das Schicksal der ehemaligen Heimkinder von Bad Freienwalde ernst nehmen:  http://gruenlink.de/1bpz DDR-Aufarbeitung: Was sonst noch geschah  

Sittenwidrige Enteignungen endlich rückgängig machen  Eine Empfehlung der Enquêtekommission   lautet, alle vom Land nach 1990 enteigneten   sogenannten Neusiedler-ErbInnen   wieder in ihre Rechte zu setzen. NeusiedlerInnen   erwarben im Zuge der Bodenreform   vererbbares Land, das sie bald darauf in die   LPGen einbringen mussten. Nach 1990   schrieb das Land Brandenburg das Unrecht   fort, indem es auf Teufel komm raus versuchte,   diese Grundstücke an sich zu bringen.   Für eine Vielzahl von Fällen wurde   dieses Verhalten vom Bundesgerichtshof   als „sittenwidrig“ qualifiziert. Unsere Fraktion   hat deshalb einen 2013 von uns erarbeiteten   Gesetzentwurf zur Rückgabe   ausnahmslos aller Flächen an die Neusiedler-   ErbInnen 2016 modifiziert und noch   einmal ins Parlament eingebracht. Rot-Rot   lehnte ihn jedoch zum zweiten Mal ab.

  Die komplette Halbzeitbilanz der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen im Brandenburger Landtag >> Zwischenruf – Unsere Halbzeitbilanz nach zweieinhalb Jahren Oppositionsarbeit (pdf-Datei)