Landesregierung ohne Willen und ohne Plan, CO2-Emissionen abzusenken

Wirtschaftsminister Albrecht Gerber will im Zuge der Novellierung der Energiestrategie des Landes die Klimaschutzziele deutlich reduzieren. Dazu nehmen der Vorsitzende der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag Axel Vogel, die klimaschutzpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag Annalena Baerbock und die energiepolitische Sprecherin der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag Heide Schinowsky wie folgt Stellung:

Axel Vogel, MdL, Vorsitzender Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag

„Werden die Pläne des Wirtschaftsministeriums Realität, verabschiedet sich Brandenburg von den Klimaschutzzielen der Bundesregierung und vom Pariser Klimaabkommen. Klimaschutzpolitik à la Brandenburg heißt, Klimaziele zu verschieben oder aufzuweichen. Ministerpräsident Dietmar Woidke erweist sich mit seiner Kritik an der Energiepolitik des Bundes als strukturkonservativer als die CDU-Bundeskanzlerin. Das ist unglaublich.“

In der Energiestrategie 2010 sollte der CO2-Ausstoß Brandenburg bis 2010 noch auf 53 Mio. Tonnen reduziert werden. In der Energiestrategie 2020 wurde dieses Ziel verschoben. 2020 sollte der Ausstoß nun 54,6 Mio. betragen. Für 2030 nahm man sich eine Reduzierung bis 2030 auf 22,8 Mio. Tonnen vor. In der Energiestrategie 2030 wurde auf ein Ziel für 2020 verzichtet; 2030 sollten nun maximal 25 Millionen CO2 erlaubt sein. Wirtschaftsminister Gerber schlägt nun vor, das Ziel für 2030 abermals aufzuweichen und nur noch einen CO2-Ausstoß von 41 Mio. Tonnen anzustreben.

Annalena Baerbock, MdB, klimaschutzpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag:

Im Dezember 2015 hat sich die Weltgemeinschaft mit dem Pariser Klimaschutzabkommen dazu verpflichtet, die Erderhitzung deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu soll bis 2050 eine weitgehende Treibhausgasneutralität der Industriestaaten erreicht werden.

Um dieses Ziel zu erreichen müssen alle Staaten bis spätestens 2018 nationale Klimaschutzpläne einreichen, wozu die Bundesregierung mit dem Klimaschutzplan 2050 die Grundlage geschaffen hat.

Die Bundesregierung hatte bereits 2010 beschlossen, die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Also von damals 1248 Mio. Tonnen auf dann knapp 62,4 Mio. Tonnen CO2 Gesamtausstoß pro Jahr. Aktuell liegen die Emissionen bei etwas über 900 Mio. Tonnen CO2. Dieser Wert stagniert seit 2009. Mit dem Klimaschutzplan 2050 bekräftigt die Bundesregierung ihre Ziele und teilte diese auf die einzelnen Sektoren und Zwischenziele auf.

Klima- und Energiepolitik sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne eine nachhaltige Energiepolitik ist ein wirksamer Klimaschutz nicht denkbar, da auf die Energiewirtschaft etwa 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland entfallen. Gemäß des Klimaschutzplans sollen die Treibhausgasemissionen der Energiewirtschaft bis 2030 auf 175 bis 183 Millionen Tonnen gemindert werden.

Für Bundesländer mit derzeit überproportional höheren Emissionen sind auch die Minderungen entsprechend höher. Brandenburg müsste analog zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung seine Emissionen bis 2030 um 73 Prozent senken. Da heißt von derzeit 58 Millionen Tonnen CO2 auf 25 Millionen Tonnen CO2 in 2030. Das nun favorisierte neue Ziel des Wirtschaftsministeriums sieht jedoch 41 Millionen Tonnen CO2 vor.

„Von der geplanten Absenken der Klimaschutzziele geht ein verheerendes Signal aus. Damit würde sich Brandenburg explizit vom deutschen Klimaschutzplan und damit auch vom Pariser Klimaabkommen verabschieden. Das ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch wirtschafts- und strukturpolitisch fatal. Schließlich sind beispielsweise die für den regionalen Strukturwandel vom Bund bereit gestellten Mittel explizit an den Klimaschutzplan geknüpft."

Heide Schinowsky, MdL, energiepolitische Sprecherin der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag:

„Dass Minister Gerber das Klimaschutzziel für 2030 drastisch absenken will, ist allein der Anpassung an die Pläne der LEAG geschuldet. Die LEAG möchte das Kraftwerk Jänschwalde länger laufen lassen als in der Energiestrategie 2030 verankert und mit dem bisherigen Klimaziel für 2030 kompatibel ist: nämlich bis 2033 anstelle der ursprünglich geplanten Stilllegung bis 2028.

Minister Gerbers Hinweis auf geänderte Rahmenbedingungen als Grund für die Absenkung des Klimaschutzziels für 2030 – inklusive der in den letzten Tagen hierzu veröffentlichten Argumentationsstränge – ist bei näherem Hinsehen nicht tragfähig.

Brandenburg kann zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens nur durch CO2-Einsparungen im Braunkohlesektor einen angemessenen Beitrag leisten. Grund dafür ist, dass zwei Drittel der Brandenburger CO2-Emissionen, nämlich 38,5 von insgesamt 58 Mio t CO2 durch die Verbrennung von Braunkohle entstehen. Mit der Senkung der Klimaschutz-Ziele versucht Minister Gerber davon ablenken, dass es in der Landesregierung keinen politischen Willen und erst recht keinen Plan dafür gibt, die hohen energiebedingten Emissionen zu senken“, sagte HEIDE SCHINOWSKY.

„In zwei weiteren Szenarien des vom Wirtschaftsministerium beauftragten Gutachtens werden Wege aufgezeigt, wie Brandenburgs Energiebereich zukünftig gestaltet werden kann. Diese beinhalten: den mittelfristigen Kohleausstieg, die Steigerung von Energieeinsparung, die Förderung der Energieeffizienz bei Industrie und Haushalten, einen verantwortungsvollen Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den Ausbau der Elektromobilität, insbesondere durch den elektrisch betriebenen Regionalverkehr.“

Fragen und Antworten

Wäre das Klimaziel für 2030 mit einem CCS-Kraftwerk erreichbar gewesen?

Nein. Die Erreichung des Klimaziels wäre auch mit einen neuen CCS-Kraftwerk nur bei gleichzeitiger Stilllegung des alten Kraftwerks Jänschwalde – wie in der Energiestrategie 2030 vorgesehen - möglich gewesen.

Allerdings ist CCS bereits seit 2011 keine Option mehr. Damals hatte sich der Bergbaubetreiber Vattenfall gegen den Neubau eines CCS-Kohlekraftwerks entschieden. Politisch ist CCS in Brandenburg und Deutschland tot.

Da das CCS-Kraftwerk nicht kommt, wäre der Bau von schnell steuerbarer Regelleistung notwendig. Das sind Gaskraftwerke. Das sind die wahren Partner der Erneuerbaren Energien.

Hätte CCS zur Senkung der CO2-Emissionen in der Industrie beitragen können?

Nein. Das war weder realistisch, noch konkret mit Zahlen in der Energiestrategie 2030 eingeplant.

Ist die Laufzeitverlängerung von Jänschwalde um fünf Jahre – wie von der LEAG geplant – energiepolitisch notwendig?

Nein. Das belegt zum einen die Energiestrategie 2030 und wird bestätigt in unserer Energiestudie: http://www.gruene-fraktion-brandenburg.de/themen/energie-und-klimaschutz/energiestrategie/

Gefährden gestiegene CO2-Emissionen in Wirtschaft und Industrie die Einhaltung des Klimaschutzziels?

Nein. Die Emissions-Anteile von Verkehr und Industrie sind seit Jahren nahezu gleich geblieben und haben sich auch seit Verabschiedung der Energiestrategie 2030 nicht verändert. Wir haben hier in Brandenburg sehr moderne Industrieanlagen. Dadurch ist es nur schwer, weiteres Minderungspotenzial zu erschließen.

Wird sich der BER negativ auf die CO2-Bilanz auswirken?

Nein, der BER war auch schon in der alten Energiestrategie einbilanziert. Und trotz BER wurde das Ziel von 25 Mio. t beschlossen.

Stimmt die Aussage von Rot-Rot, Brandenburg bleibe auch bei Aufweichung der Klimaschutzziele „innerhalb des Zielkorridors der Bundesrepublik und der EU“?

Nein. Den für die Stromindustrie sind überdurchschnittliche Minderungen notwendig und hier hat Brandenburg mit seiner Braunkohlenwirtschaft eine besondere Verantwortung.