Heide Schinowsky

Rede zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen „Klimaschutz stärken: Strukturwandel in der Lausitz gestalten“

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, kurz vor der Sommerpause gab Wirtschaftsminister Gerber bekannt, dass er das Brandenburger Klimaziel für 2030 drastisch senken will – und das in Zeiten des Klimawandels, nur kurz nach dem international hart erarbeiteten klimapolitischen Durchbruch mit dem Abkommen von Paris – zu dessen Umsetzung übrigens auch Brandenburg im Bundesrat seine Zustimmung gegeben hat – und nicht zuletzt trotz Verankerung des Klimaziels im rot-roten Koalitionsvertrag. Anlass für die angedachte Senkung sind allein die Pläne der LEAG, das Kraftwerk Jänschwalde länger laufen zu lassen. Zur Erinnerung: Der ehemalige Besitzer Vattenfall hatte die vollständige Abschaltung bis 2028 geplant – dieses Datum wäre kompatibel mit Brandenburgs Klimaziel für 2030. Die LEAG möchte das Kraftwerk nun bis 2033 laufen lassen. Und anstatt dagegen zu halten, knickt der Wirtschaftsminister ein. Da stellt sich die Frage: Warum? Energiepolitische Gründe – wie die Versorgungssicherheit – sind es jedenfalls nicht. Das vom Wirtschaftsministerium beauftragte Wirtschaftsinstitut prognos hat in seiner Studie für die Erstellung der neuen Energiestrategie belegt, dass und wie zukunftsfähige Energiepolitik in Brandenburg funktionieren kann, auch ohne das Klimaziel zu reißen. Darüber werden wir uns im Ausschuss und im Plenum noch ausgiebig austauschen. Ein Blick in die USA hilft auch nur zum Teil bei der Suche nach Gründen: Präsident Trump agiert zwar auf den ersten Blick ähnlich: Er will die fossile Energiewirtschaft pushen und begründet das mit den daran hängenden Arbeitsplätzen. Zentraler Unterschied ist jedoch – und dafür bin ich dankbar – dass unsere Landesregierung im Gegensatz zu Trump den menschgemachten Klimawandel nicht in Frage stellt. Bleibt als Begründung die Sorge der Menschen in der Lausitz, insbesondere von denen, die direkt und indirekt in Brandenburgs Braunkohlewirtschaft beschäftigt sind und verunsichert in die Zukunft schauen. Und das ist ein schwerwiegendes Argument, dem wir uns alle stellen müssen. Trotz der zum Teil katastrophalen Folgen der Braunkohlewirtschaft – braune Spree, hohe Sulfat-Belastung und nicht zuletzt die Abbaggerung von Dörfern – war diese Branche lange ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Umso mehr ist es jetzt auch unsere Aufgabe hier im Landtag, der Verunsicherung über die Auswirkungen des klimawandelbedingten Ausstiegs aus der Braunkohlewirtschaft eine klare Perspektive entgegenzusetzen. Und jetzt komme ich zum Kern unseres Antrags: Es mangelt keineswegs an Vorschlägen und Projekten aus der Lausitz, ganz im Gegenteil. Viele der entscheidenden Akteure in der Region haben sich dieser Aufgabe inzwischen angenommen. Insbesondere in den letzten zwei Jahren wurden viele Ideen entwickelt, was jetzt angegangen werden sollte. Hierfür wurden auch neue Institutionen gegründet: So hat zum Beispiel die IHK Cottbus mit der Gründung und Finanzierung der Innovationsregion Lausitz eine neue wichtige Anlaufstelle für Unternehmen der Braunkohlewirtschaft geschaffen. Auch die Landesregierung hat inzwischen reagiert und gemeinsam mit den Sachsen im Sommer diesen Jahres in Großräschen erste Vorschläge zum Umgang hiermit vorgestellt. Woran es aber eklatant mangelt – das ist auch das Ergebnis zahlreicher Gespräche mit Akteuren aus der Region wie IHK, BTU, Kirche und anderen – ist die Steuerung des Prozesses. Um das Problem konkret zu machen: Der Oberbürgermeister von Cottbus, Herr Kelch, wird heute in der Lausitzer Rundschau mit der Forderung zitiert, dass in der Lausitz Bundesbehörden angesiedelt werden sollten. Zitat: „Damit ist der Osten unseres Landes nicht gerade überschwemmt, und solche Behörden bringen mit, was wir benötigen: tariflich bezahlte, sichere Arbeitsplätze“. Die Frage ist nun aber: Wer greift diesen Vorschlag auf? Soll er sich damit direkt an die Bundesregierung wenden? Wo werden solche Vorschläge eingespeist und diskutiert? Oder ein anderer Vorschlag, auch heute in der Lausitzer Rundschau nachzulesen; Zitat: „Damit die Lausitz wieder ein positives Ziel vor Augen hat, braucht es ein Leuchtturmprojekt, ein Event, das neue Energie und Identifikation für die Region entfesselt. Das Ruhrgebiet hatte dies mit dem Projekt „Euopäische Kulturhauptstadt“. Deutschland wäre 2025 wieder dran, diese zu stellen. Der Bund könnte hier der Lausitz den Zuschlag erteilen.“ Auch hier ist die Frage: Wo könnte dieser spannende Vorschlag mit wem auf seine Wirksamkeit und seine Realisierungschancen diskutiert werden? Hierfür gibt es bisher kein Gremium, aber es wäre dringend vonnöten. Auch die neu auf den Weg gebrachte Wirtschaftsregion Lausitz kann diese Aufgabe nicht leisten. Was wir jetzt brauchen, ist ein Lausitz-Steuerungskreis mit Vertretern aus Bund, Sachsen und Brandenburg sowie Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. In enger Rückkopplung mit den anderen Akteuren in der Lausitz und im Dialog mit der Bevölkerung muss dieser Steuerungskreis einen Masterplan und einen entsprechenden Fahrplan erarbeiten. Auch mit Blick auf die Arbeit der Strukturwandel-Kommission, die im kommenden Jahr auf Bundesebene eingesetzt werden soll, ist die Koordinierung der Aktivitäten in der Lausitz von zentraler Bedeutung: Um hierbei die Interessen Brandenburgs und damit der Lausitz gut vertreten zu können, braucht es ein Gremium mit Vertretern aus der Lausitz, Bund, Brandenburg und Sachsen, das die hierfür notwendigen Verständigungsprozesse steuern und entsprechend in einen Masterplan einbetten kann. Die Forderung nach einem Masterplan wird übrigens auch von vielen Playern in der Region geteilt. Und zum CDU-Antrag: Hierin werden zum größten Teil Vorschläge aus unserem Antrag aufgegriffen und ausformuliert. Ganz besonders freue ich mich über die Zustimmung zu unserem Vorschlag eines Verwaltungsabkommens mit Bund, Sachsen und Brandenburg. Denn nur in einem klar abgesteckten und verbindlichen Rahmen kann die Gestaltung des Strukturwandels gelingen. Der einzige substanzielle, gravierende Unterschied zwischen ihrem und unserem Antrag besteht darin, dass wir Kanzlerin Merkel und die Beschlüsse der alten Bundesregierung beim Wort nehmen. Aus dem prognos-Gutachten geht eindeutig hervor, dass und wie der Klimaplan der Bundesregierung umsetzbar und die Ziele des Pariser Abkommens erreichbar sind, nämlich mit dem Auslaufen der Braunkohle deutlich vor 2050. Und deshalb werden wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen, sondern darauf setzen, auf Bundesebene hierfür einen sowohl technisch als auch wirtschafts- und sozialpolitisch vertretbaren Weg dafür zu vereinbaren. Abschließend noch ein drittes Zitat aus der heutigen Lausitzer Rundschau: „Was jetzt kommen muss, ist ein klarer Fahrplan für die Energiewende: Wann wird was abgeschaltet – und wie soll das in den betroffenen Regionen kompensiert werden.“ Wenn wir das ernstnehmen, werden wir unserer Verantwortung für das Weltklima gerecht. Und wir können so einen Beitrag dafür leisten, dass anstatt Verunsicherung wieder mehr Zuversicht in der Lausitz wachsen kann. Vielen Dank!

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