In Tauer (Spree-Neiße) wächst der Unmut über vom Tagebau Jänschwalde verursachte Bergschäden. Der Gemeindekirchenrat von Tauer hatte daher für diesen Sonntag zu einer öffentlichen Begehung eingeladen. „Unsere Kirche weist immer mehr Risse auf. Wir gehen davon aus, dass der nahe Tagebau Jänschwalde eine Hauptschuld an den Schäden hat, doch der Bergbaubetreiber LEAG mauert“, berichten anwesende betroffene Bürger aus Tauer. Dies bestätigt auch Christian Stecklina, ein Vertreter des Gemeindekirchenrates (GKR) Tauer aus eigener Erfahrung. Leider seien viele Wohnhäuser sowie der Feuerwehrturm betroffen, fügt er hinzu.
Der GKR will mit der Begehung und der Verdeutlichung der Bergschäden auch die hiervon betroffenen Menschen in der Region unterstützen: „Uns wird immer wieder berichtet, dass Menschen Angst vor der Auseinandersetzung mit dem Bergbaubetreiber hätten. Wir halten zusammen und setzen uns gemeinsam für unsere Rechte ein. Die LEAG und ihre Eigentümer in Prag werden einsehen müssen, dass man so mit uns nicht umgehen kann“, sagt Stecklina.
Bei der Begehung sorgte eine weitere Hiobsbotschaft für heftige Diskussionen bei den ca. 40 anwesenden Einwohnerinnen und Einwohnern aus Tauer und Umgebung: Die im Sommer 2019 von der Landesregierung ins Leben gerufenen Schlichtungsstelle für Bergbauschäden sei nicht mehr zu erreichen, berichteten Betroffene.
Matthias Bärmann, Braunkohlenbeauftragter der Evangelischen Kirchengemeinde Region Guben und selbst Beisitzer der Schiedsstelle hatte hierzu im Vorfeld der Begehung bei der IHK angefragt. Von dort hieß es Anfang Juli per Mail: „Die Schlichtungsstelle wurde im Juli 2019 für 3 Jahre eingerichtet. Danach wäre sie im Juli 2022 durch Zeitablauf automatisch ausgelaufen. Danach haben sich die IHK Cottbus und die beiden Vorsitzenden auf Bitte der Landesregierung bereit erklärt, ihre jeweiligen Aufgaben im Rahmen der Schlichtungsstelle noch bis zum Jahresende 2022 wahrzunehmen, um dem Land die Möglichkeit zu geben, den weiteren Umgang mit der Schlichtungsstelle zu regeln. Das Land hat sich dann entschieden, die Schlichtungsstelle nicht fortzusetzen.“
„Die Öffentlichkeit wurde über diesen Schritt ebensowenig informiert, wie wir, die vom Brandenburger Braunkohlenausschuss berufenen Beisitzer der Betroffenenseite. Wir wurden auch nicht im Rahmen der Evaluation befragt“, kritisiert Andreas Stahlberg, Vorsitzender vom Umweltausschuss im Kreistag Spree-Neiße und ebenfalls Beisitzer in der Schiedsstelle. Das Brandenburger Wirtschaftsministerium habe wohl eine Evaluation der Schiedsstelle durchführen lassen, die zu dem Ergebnis kam, dass die Stelle zu wenig genutzt werde, erläuterte Stahlberg verbunden mit dem Hinweis: „Den Bericht kennt aber niemand, und es ist anzunehmen, dass auch die Betroffenen, die oft ihre letzte Hoffnung in die Schlichtungsstelle gesetzt hatten, nicht befragt wurden“.
Einig waren sich die Beisitzer Stahlberg und Bärmann in der Forderung, dass die Schiedsstelle nicht abgeschafft werden dürfe, sondern stattdessen dringend reformiert werden müsse. „Die Schlichtungsordnung hatte seinerzeit das SPD-geführte Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Bergbaubetreiber LEAG und der LMBV ausgehandelt. Eine Berücksichtigung von Schadensbetroffenen fand hierbei nicht statt“, sagte Stahlberg.
Davon, wie dringend notwendig die Schiedsstelle auch weiterhin sei, waren die Anwohner am Sonntag überzeugt. Der Braunkohleförderer LEAG reagiere aktuell auf Bergschadens-Meldungen konsequent mit standardisierten Ablehnungsschreiben. Immer wieder wurde in Tauer von der „unglaublichen Arroganz“ des Bergbaubetreibers berichtet. Mitunter wurde Betroffenen mit der „großen Rechtsabteilung“ gedroht. „Die haben uns behandelt … da fehlen einem die Worte“, sagte ein Einwohner, dem fast die Tränen kamen.
Auch im Raum Welzow ist man entsetzt über Einstellung der Schiedsstelle. Die Welzower Stadtverordnete Hannelore Wodtke, ebenfalls Beisitzerin in der Schiedsstelle, erfuhr von der Einstellung durch einen Anruf von ihren Beisitzerkollegen: „Ich bin gelinde gesagt entsetzt, dass die Schiedsstelle klammheimlich eingestellt worden ist. Das Verhalten des Wirtschaftsministeriums ist unerhört. Wir als Beisitzer waren und sind in der Regel die ersten Ansprechpartner in den Regionen, weil wir lokal verwurzelt sind. Von Welzow/Proschim sind noch Anträge unterwegs zur LEAG; und die werden nun auf die lange Bank geschoben. Manche warten schon seit über einem halben Jahr auf eine Reaktion“.
Die Beisitzer für die Betroffenenseite wollen sich nun an das Wirtschaftsministerium wenden. „Wir fordern zuallererst einmal, dass die Evaluation wiederholt werden muss, und zwar mit Befragung von uns Beisitzern sowie den Menschen, für die die Schlichtungsstelle eingerichtet worden ist bzw. von denen, die sie angerufen haben. Hierdurch können die Fehler im System der Brandenburger Schlichtungsstelle erkannt und anschließend über eine Reform behoben werden“, sagte Stahlberg.
Unterstützung erhalten die Betroffenen von den Bündnisgrünen. „Wir hätten niemals eine Zustimmung zur Schließung gegeben. Das muss in Potsdam unbedingt aufgeklärt werden. Auch wir wollen eine Reform statt der Abschaffung“, sagte die Vorsitzende der Kreisgrünen Spree-Neiße Heide Schinowsky. Sie sei bereits mit der Landtagsfraktion und deren Vorsitzendem Benjamin Raschke diesbezüglich in Kontakt. Die Schlichtungsstelle wurde seinerzeit unter maßgeblicher Mithilfe der ehemaligen Landtagsabgeordneten aus Jänschwalde eingerichtet.
Schinowsky wies zudem darauf hin, dass auf Bundesebene derzeit die Reform des Bundesberggesetzes vorbereitet werde. Hierin solle unter anderem geregelt werden, dass die Beweislast für Bergbauschäden nicht mehr bei den Betroffenen läge, sondern bei den Bergbaubetreibern. „Noch in diesem Jahr sollen dafür Eckpunkte im Bundeswirtschaftsministerium entwickelt werden“, erklärte Schinowsky in Tauer. An der Begehung nahm auch ein Mitarbeiter der Brandenburger Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock teil.
Beunruhigende Nachrichten brachte auch René Schuster, Braunkohle-Experte der Grünen Liga/Umweltgruppe Cottbus mit: Trotz des demnächst auslaufenden Tagebaus Jänschwalde werde das Grundwasser in der Region vorerst weiter absinken; die Bedrohung durch Bergschäden bestünde somit weiterhin. Es werde noch Jahrzehnte dauern, bis das Grundwasser wieder den vorbergbaulichen Zustand erreiche, sagt Schuster mit Blick auf seine Analyse von LEAG-Unterlagen. Wegen des abgesenkten Grundwasserspiegels sacke der Boden weiterhin ab und verursache Risse in den Häusern.