Die umstrittenen Erweiterungen der Kiestagebaue in der Südbrandenburger Region um Mühlberg/Elbe schreiten ungebremst voran. Davon machten sich am Freitag Bündnisgrüne - wie die Lausitzer Landtagsabgeordnete Ricarda Budke, die Kreisvorsitzenden von Elbe-Elster Valentine Siemon und Spree-Neiße Heide Schinowsky - ein Bild der Lage vor Ort. Ursprünglich hatte sich auch der sächsische Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann angekündet. Aufgrund eines akuten Termins in Chemnitz konnte der Bundespolitiker nicht teilnehmen. Stellvertretend erschienen sein Büroleiter Robert Kempe sowie Mike Kess aus dem Büro der Brandenburger Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock. Beim Treffen mit dem Wasserversorger, Lokalpolitikern und Betroffenen vor Ort wurden die negativen Auswirkungen der industriellen Kiesförderung offenbar. Eine schnelle Lösung zeichnet sich nicht ab.
Brandenburger Bündnisgrüne besichtigten gestern zusammen mit Vertretern der Bürgerinitiative „Depo-Nie“ in einer zweistündigen Exkursion das Areal der seit Jahren umstrittenen Kies- und Müllgrube „Fresdorfer Heide“. Gegen die Erweiterung des Kiestagebaus und die Errichtung einer Mülldeponie gibt es massiven Widerstand in der Region, die nur wenige Kilometer südlich der Brandenburger Landeshauptstadt liegt. Die Bergrechtsexpertin der Brandenburger Bündnisgrünen Heide Schinowsky hat erheblich Zweifel daran, dass das Vorhaben wie vom Betreiber geplant umgesetzt werden kann.
„Erstmal gibt es eine Atempause für die Region. Grund dafür ist die Entscheidung des Brandenburger Klima- und Umweltministeriums, im Rahmen des neuen Abfallwirtschaftsplans eine sogenannte strategische Umweltprüfung durchführen zu lassen. Das wird Zeit in Anspruch nehmen“, sagte Schinowsky. Eine Ausschreibung dafür hat das Ministerium bereits eingeleitet, wie letzte Woche bekannt wurde.
Das Gebiet der Mülldeponie liegt inmitten von ganz besonderen eiszeitlich geprägten Landschaftsschutzgebieten. „Der Betreiber hat Bergwerkseigentum von der Treuhand erworben, ohne darauf zu achten, dass eine Erweiterung des DDR-Kiestagebaus wegen des bereits vorläufig festgesetzten Landschaftsschutzgebietes von Anfang an höchst konfliktträchtig war“, berichtete die ehemalige Grünen-Europaabgeordnete und Anwohnerin Elisabeth Schroedter. „Mit der umfassenden Umweltprüfung und unter Öffentlichkeitsbeteiligung werden alle Argumente auf den Prüfstand kommen. Die verantwortlichen Brandenburger Landesbehörden sollten hierbei an einem Strang ziehen“, mahnt Schinowsky.
Mit der Fortschreibung des Abfallwirtschaftsplans des Landes Brandenburg soll die Brandenburger Abfallwirtschaft nachhaltiger und transparenter werden. Für den Teilplan „mineralische Abfälle zur Beseitigung“ ist nun erstmalig die Durchführung einer strategischen Umweltprüfung (SUP) notwendig.
„Es war ein kleiner Paukenschlag, der in der letzten Woche vom Brandenburger Klima- und Umweltministerium verkündet wurde. Die Mülldeponie kann nicht mehr einfach so genehmigt werden. Dadurch werden die Pläne zumindest erstmal erheblich verzögert werden“, sagt die Bergrechtsexpertin der Brandenburger Bündnisgrünen Heide Schinowsky. Der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag Benjamin Raschke geht davon aus, „dass die Ergebnisse des Umweltberichts auch in bereits beantragten Zulassungsverfahren berücksichtigt werden“. Dies werde naturgemäß Zeit in Anspruch nehmen – auch wegen der Umweltprüfung, die sich laut Ministerium momentan in der Ausschreibungsphase befindet, so Raschke.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion Heide Schinowsky forderte anlässlich einer Fahrradsternfahrt gegen den fortschreitenden Kiesabbau ein Eingreifen der Landesregierung: „Das ist der pure Wahnsinn. Sollten alle Bergbauvorhaben umgesetzt, wird die Elbestadt Mühlberg fast vollständig von Kiestagebauen umzingelt werden“, sagte Schinowsky am Zielpunkt einer Radsternfahrt im Mühlberger Ortsteil Altenau. Die Bürgerinitiative "Für eine Heimat mit Zukunft" hatte zu der Protestaktion am Sonnabend aufgerufen, an über 100 Radler teilnahmen. Die Anwohner aus Mühlberg und Umgebung kritisieren nicht nur die ausbleibenden Rekultivierungsmaßnahmen, sondern auch die enormen Ausbaupläne der Kiesförderer.
Die bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky wird auf Einladung der Bürgerinitiative "Für eine Heimat mit Zukunft" am 16. September am ökumenischen Gottesdienst um 13 Uhr im Mühlberger Ortsteil Altenau teilnehmen. Zuvor soll mit einer Fahrradsternfahrt über den fortschreitenden Kiesabbau informiert werden. Gestartet wird die Radtour an fünf Orten, die heute und künftig von der Kiesförderung in und um Mühlberg/Elbe betroffen sind. Bis 13 Uhr werden alle Teilnehmer in Altenau erwartet. Die Bürgerinitiative sieht die Pläne der massiven Ausweitung des Kiesabbaus in der Region kritisch. Für Diskussionsstoff wird eine aktuelle Antwort der Landesregierung zum „Stand der Kiesabbaus Mühlberg“ sorgen, die Heide Schinowsky am Sonnabend mitbringen wird. So laufen derzeit allein im Landkreis Elbe-Elster zehn Genehmigungsverfahren für neue Kiestagebaue- oder Erweiterungen bestehender Gruben, die sich hauptsächlich im Mühlberger Raum konzentrieren.
Wie eine Kleine Anfrage der bündnisgrünen Landtagsfraktion ergeben hat, lagern in der Kiesgrube Luggendorf/Groß Pankow (Prignitz), weiterhin rund 11.000 Kubikmeter illegale Abfälle, lediglich 200 Kubikmeter Asbest und 190 Kubikmeter Baumischabfälle wurden durch den derzeitigen Betreiber bisher entsorgt. Aktuell ist am Standort die Errichtung einer Bauschuttdeponie im Gespräch. Hierzu äußert sich Heide Schinowsky, bergbaupolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion wie folgt: "Es gibt in Brandenburg mittlerweile mehrere Kiesgruben mit illegalen Bauschuttabfällen, bei denen eine Umwandlung zur Bauschuttdeponie geplant ist. Vor dem Hintergrund, dass bundesweit 95 Prozent des Bauschutts recycelt oder anderweitig verwertet wird, stellt sich jedoch die Frage, ob tatsächlich in diesem Umfang der Bedarf für neue Bauschuttdeponien in Brandenburg besteht. Zu bevorzugen wäre, dass stärker auf Verwertung bzw. Recycling gedrängt wird.